RIESELUHREN BAUEN UND ERPROBEN
Durch einen selbst gebauten Kartontrichter oder durch eine an der Ecke aufgeschnittene Tüte rieselt Quarzsand in eine durchsichtige Flasche. Die Kinder erleben und messen die Zeit, wie lange der Vorgang dauert. Sie vergleichen verschiedene Rieseluhren und beobachten deren unterschiedliche Eigenschaften.
Materialien
Papier oder Papiertüten · Schere und Klebeband · Quarzsand · Reis · Filzstift · Durchsichtige Flasche · Stoppuhr
Zeit spielt in unserem Zusammenleben und der Strukturierung des Alltags eine große Rolle:
Zeit kann man nicht beobachten, nicht anfassen, nicht hören oder riechen. Man kann sich aber darüber unterhalten und versuchen, sprachlich auszudrücken, was Zeit bedeutet, was Zeit eigentlich ist. Das ist eine große Herausforderung, auch für Erwachsene. Kinder leben zunächst einmal ganz in der Gegenwart, ohne sich für das Gestern oder Morgen zu interessieren. Sie lernen die Zeit aber schon früh durch den Rhythmus im Alltag kennen. Sie verinnerlichen immer wiederkehrende Abläufe: Jahreszeiten, Rituale im Tagesablauf oder den Tag-Nacht-Rhythmus. Auch die Auswirkungen von Zeit sind für Kinder spürbar: die Natur verändert sich ständig, Eltern und Großeltern werden älter, sie selbst wachsen. So hat „die Oma ganz viele Falten im Gesicht“, „ich brauche schon wieder neue Schuhe“, oder „jetzt hat der Baum keine Blätter mehr.“
Kinder kennen Zeiteinteilungen wie Jahre, Wochen, Tage, Stunden. Sie haben mitunter schon Uhren ticken oder einen Wecker klingeln hören. Sie kennen die Bedeutung von Zeit für unser Zusammenleben, auch wenn es ihnen schwerfällt, das auszudrücken: „Übergestern waren wir schwimmen.“ „Morgen habe ich meine Zähne geputzt.“ Durch die sprachliche Verwendung des Begriffs „Zeit“ ist es sehr wahrscheinlich, dass Kinder die Zeit als eine Größe begreifen, die unabhängig vom Menschen existiert. Man kann Zeit verschenken, manchmal fühlt es sich an, als ob die Zeit anhält, man kann jemandem Zeit geben oder sich Zeit nehmen.
Und doch ist Zeit auch relativ: manchmal vergeht sie gefühlt viel schneller und manchmal fühlen sich Minuten an wie Stunden, was sich dann in Aussagen wie „Wann kommt denn endlich der Nils?“ „Mir ist so langweilig!“ „Muss ich schon nach Hause?“ äußert. Zu den Präkonzepten über Zeit von Kita- und Grundschulkindern gibt es bisher kaum Erkenntnisse. Wichtig ist es, ihnen den Raum zu geben, um ihre Fragen und ihre Hypothesen dazu selbst zu formulieren: Hat die Zeit jemand erfunden? Warum muss ich mich manchmal so beeilen? Was ist unendlich? Hört die Zeit irgendwann auf?
Bei der Frage, wann Kinder ein Zeitbewusstsein entwickeln und in welchem Lebensstadium es sinnvoll ist, dieses zu fördern, stimmen die Entwicklungspsychologen weitgehend darin überein, dass der Beginn der Grundschulzeit der bestmögliche Zeitpunkt ist. Heinrich Roth z.B. unterteilt die Entwicklung des Zeitbewusstseins in die “Phase des naiven Zeiterlebens” (Kleinkind), die „Phase des Zeitwissens“ (Grundschulkind) und die „Phase der Zeiterfahrung und -reflektion“ (Pubertierender). Er geht somit davon aus, dass das Grundschulkind sich in der Phase befindet, in der es unterschiedliche Zeitbegriffe erlernt und die zeitliche Ordnung des Kalenders und der Uhr zu verstehen beginnt. Differenziertes Zeitwissen (Uhr- und Kalenderzeit) bedarf im Gegensatz zum einfachen Zeitwissen (zeitliche Ordnungsbegriffe wie „später“, „früh“, „nachmittags“, etc.) der Grundlage des Aufzählens und Zählens. Mit acht bis neun Jahren wird das Kind für die Arbeit mit dem »Zahl-Zeit-Schema« fähig. Die Lehrkraft betreut dieses Stadium, indem sie das Kind in das Jahr, die Monate, die Wochen, die Tage und die Uhrzeit einführt.
Der Lehrplan für die Grundschule berücksichtigt diese entwicklungspsychologischen Erkenntnisse. Während in den Klassen 1-2 die Entwicklung von Zeitbewusstsein im Vordergrund steht, soll darauf aufbauend in den Klassen 3-4 ein Geschichtsbewusstsein angebahnt werden. Um zu begreifen, dass mein heutiges Handeln auch in der Zukunft Auswirkungen auf Natur und andere Menschen hat, brauchen die Mädchen und Jungen ein Verständnis von zeitlichen Abläufen, dem Ineinandergreifen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Für jüngere Kinder im Kita-Alter gibt es eine einfachere Variante: sie schneiden die untere Ecke einer Papiertüte ab und setzen diese anschließend auf die Flasche. Dabei können sie entdecken, dass das Loch umso größer wird, je weiter oben sie die Tüte abschneiden. Dementsprechend läuft der Sand auch schneller durch die Tüte hindurch. Das Thema „Zeit“ hat viele verschiedene Aspekte. In der Forscherstation liegt der Fokus auf den naturwissenschaftlichen Aspekten, die für ein umfängliches Verständnis mit anderen Aspekten vernetzt sein müssen:
Zeit als physikalische Größe kann in verschiedenen Einheiten gemessen werden. Sie beschreibt eine Abfolge von Ereignissen, hat also eine eindeutige und nicht umkehrbare Richtung. Zur Angabe eines Zeitpunkts wird die Uhrzeit verwendet. Sie richtet sich annähernd nach dem Sonnenstand und ist durch staatliche Regelungen jeweils innerhalb einer Zeitzone einheitlich. Aus einer philosophischen Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend.
Die Philosophie fragt seit jeher nach dem Wesen der Zeit, die Psychologie untersucht Zeitwahrnehmung und Zeitgefühl und die Ökonomie betrachtet Zeit auch als Wertgegenstand. In der Sprachwissenschaft bedeutet „Zeit“ die grammatische Form der Zeitwörter („Tempus“).
Um Zeit zu veranschaulichen, bedienen wir uns Vorstellungshilfen, wie z.B. der zyklischen und der linearen Zeitmodelle. Die zyklische Zeit wie z.B. Tageszeiten, Tag und Nacht, Ebbe und Flut, Jahreszeiten oder Kalender spiegeln die Vorstellung wider, dass Ereignisse sich immer in regelmäßigen Zyklen wiederholen. Die lineare Zeit fasst den Gedanken, dass die Zeit von der Vergangenheit in die Zukunft schreitet und nicht umgekehrt werden kann. Dargestellt wird dies mit einem Zeitstrahl oder z.B. einem Stammbaum. Von dieser Vorstellung ist in der heutigen Industriegesellschaft das terminbestimmte Planen und Handeln geprägt. Außerdem unterscheidet man zwischen zwei unterschiedlichen Aspekten von Zeit: der objektiven und der subjektiven Zeit. Dabei wird die objektive Zeit als die messbare Zeit angesehen, welche auch die Grundlage für unseren Kalender bildet.
Dieser macht uns die Einteilung der Zeit in Tage, Wochen, Monate und Jahre sichtbar. Die subjektive Zeit ist die individuelle Empfindung des einzelnen Menschen von Zeit. Im modernen Alltag leben die meisten Kinder und Erwachsenen heute losgelöst von den natürlichen Zeitgebern Sonne und Mond. Das Leben der Kinder ist zunehmend vom Zeitraster der Schule am Morgen und von eigenen Terminen am Nachmittag abhängig. Viele Stadtkinder erfahren heute den Wechsel der Jahreszeiten nicht durch eigene sinnliche Wahrnehmung.
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